Testbericht: WET
Nicht zuletzt seit Grindhouse anno 2007 ist es auch heute wieder Kult, einen Film mit Rausch- und Kontrastfiltern zu überlagern und absichtlich schlecht zu präsentieren. Eine solche Hommage an die 70er Jahre steht nun seit Mitte September auch für den passionierten Spieler bereit, hört auf den Namen WET und erschien für die PlayStation 3 und Xbox 360.
Zwei Jahre ist es nun her, dass Quentin Tarantino und Robert Rodriguez den 70er-Trash-Filmen frönten und ihr großartiges Grindhouse-Projekt, hierzulande geteilt in Death Proof und Planet Terror, Einzug in das Kino des 21. Jahrhunderts erhielt. Vor nunmehr fast 40 Jahren sollten überzogene Action, coole Helden und jede Menge Sex und Gewalt dem sich verbreitenden Medium Fernseher Kontra bieten und das schwindende Publikum wieder in die Kinos locken.
Dass mit WET nun eine spielerische Hommage an diese Filme im Laden steht, war vor einem Jahr tatsächlich noch ungewiss: Als sich im Juli 2008 die beiden Softwareriesen Activision und Vivendi Games zu Activision Blizzard zusammenschlossen, wurden einige in der Entwicklung befindliche Projekte nicht in das Portfolio des neuen Giganten übernommen. Neben Riddick – Assault on Dark Athena, Ghostbusters – The Game und Brütal Legend wurde auch Artificial Mind & Movements WET abgestoßen und von einem anderen Publisher, Bethesda Softworks, aufgefangen.
Und so dürfen wir dank Bethesda nun in die Rolle der freiberuflichen Problemlöserin Rubi Malone schlüpfen, einer schlagfertigen und gewissenlosen Auftragskillerin. Bereits im Prolog – gleichzeitig Tutorial und erster Auftrag – wird klar, wie der Hase läuft: ballern, gegnerischen Kugeln ausweichen, schnetzeln und weiter ballern. Und das alles mit möglichst viel Stil bitteschön. Eben auf diese Art wird nun gewissenhaft die Aufgabe ausgeführt: zwielichtigen Gestalten einen bestimmten Koffer abzunehmen – mit jeder notwendigen Gewalt. Was wir dabei noch nicht ahnen ist, dass der Koffer ein Spenderherz beinhaltet, das für den Vater unseres Auftraggebers, Trevor Ackers, lebensnotwendig ist. Ein Jahr später kreuzen sich die Wege mit den Ackers unfreiwillig wieder, als uns der Gangsterboss Rupert Pelham beauftragt, Trevor zu kidnappen. Gesagt, getan – Geld ist im Spiel, Gewissen ist für Weicheier. Frisch vor die Füße Pelhams gelegt, tötet er Trevor kaltblütig vor unseren Augen. Wir sind in eine Falle getappt, denn nun verdächtigt Vater Acker Rubi, seinen Sohn auf dem Gewissen zu haben. Klar, dass Rubi das nicht auf sich sitzen lassen kann und so zieht sich eine immer länger werdende Spur aus Blut (in Deutschland: Rauch) direkt bis zu Rupert Pelham.
Gleich zu Beginn heißt es als Definition des Titels: „WET (Wetwork) – Ein Euphemismus, der sich auf von Blut wortwörtlich nasse Hände bezieht.“ Und tatsächlich, zimperlich geht es in WET nicht zu. Was wäre Rache auch ohne Gewalt und… Blut? Später mehr dazu.
In gewohnter Third-Person-Sicht steuert man nun Rubi von Gegner zu Gegner, meuchelt sich per Pistole, Shotgun, Maschinenpistole, Armbrust oder Samuraischwert durch die zwölf Levels. Je akrobatischer, desto besser, denn stilvolle Morde werden mit Punkten belohnt, die sich gegen Fähigkeiten von Rubi oder Waffenupgrades einlösen lassen. Dazu ist sie natürlich fit wie ein Turnschuh, kann auf den Knien über den Boden rutschen, die Wände hoch und entlang laufen und per Hechtsprung Geschossen ausweichen. Wird eine solche Bewegung ausgeführt, verlangsamt sich die Zeit um Rubi herum und ihr habt eine höhere Wahrscheinlichkeit, die anvisierten Gegner zu treffen. Da die Dame immer zwei Waffen eines Typs bei sich trägt, kann sie in diesen Slow-Motion-Sequenzen auf zwei Feinde gleichzeitig schießen – während die linke Hand immer automatisch einen Unglücklichen auswählt, könnt ihr die rechte Hand manuell auf einen weiteren Gegner bewegen. Das funktioniert erstaunlich gut, ist einfach und eingängig umgesetzt worden und macht die Gefechte spürbar imposanter.
Doch auch wenn das alles nun nach durchweg spannender Action klingen mag, so ist Abwechslung leider das große Manko in WET. Zwar besucht ihr auf Rubis Reise Orte wie London und Hongkong, trotzdem sind die Levels alle stark linear aufgebaut und Interaktion mit der Umgebung ist quasi ausgeschlossen. Von allen Objekten die die Korridore schmücken, sind lediglich eine Handvoll zerstör- und bewegbar – selbst offensichtlich aus Holz bestehende Tische und Fässer scheinen tatsächlich aus massivem Granit zu bestehen. Zudem verliert das Spiel durch den immer gleichen Ablauf bereits sehr früh seinen Reiz. Zwar hat man sich offensichtlich bemüht, Variationen ins Spielgeschehen einfließen zu lassen, doch wirken selbst diese auf Dauer eher ermüdend.
So muss an diversen Stellen auch mal geklettert und gesprungen werden, was sich aufgrund der sehr schwammigen Steuerung häufig eher als frustrierend herausstellt. Per Druck auf die L1-Taste löst man die „Rubi-Vision“ aus, bei der euch eine rot leuchtende Markierung den Weg weist. Sehr nette Idee, mit der sich auch eingestanden wird, dass WET definitiv einem anderen Schwerpunkt folgt: möglichst coolen Shootouts mit möglichst vielen Gegnern.
Und auch hier hat man versucht für Abwechslung zu sorgen. Neben rasant inszenierten Quicktime-Events sind auch der Rage-Modus und Arenakämpfe wichtiger Bestandteil des Spielablaufs. Während es in den Arenakämpfen darum geht, möglichst schnell eine gewisse Anzahl an Türen zu schließen, aus denen unerschöpfliche Horden an Gegnern auf euch zuströmen, ist das außergewöhnliche am Rage-Modus ein roter Farbfilter, der das Bild für kurze Zeit überdeckt. Tatsächlich ändert das am Spielprinzip freilich nichts – ihr seid abermals dazu aufgefordert, alle Feinde aus der Umgebung ins Jenseits zu befördern.
Spektakuläre Verfolgungsjagden auf der Autobahn und ein Sprung aus einem abstürzenden Flugzeug klingen sehr verheißungsvoll, sind es allerdings nur teilweise. Denn während das Hechten über die Dächer fahrender Autos hauptsächlich per Quicktime-Event ausgelöst wird, gestaltet sich der Flug aus zehntausend Metern Höhe eher zur Frustnummer als zur Gaudi. In einem ersten Abschnitt dieser lebensmüden Aktion müssen ebenfalls von einer Explosion aus dem Flugzeug geschleuderte Gegner beschossen werden, wobei man Rubi hier allerdings abgesehen von den Armen nicht bewegen kann. Ausweichen: Fehlanzeige. Dieser Sachverhalt würde nicht so auffallen, würde man nicht im zweiten Abschnitt entgegenfliegenden Teilen des Flugzeugs ausweichen müssen – hier lässt sich hingegen nun nicht mehr auf Holzkisten und andere Objekte schießen. Spätestens an dieser Stelle wird auch eine weitere Sache ganz deutlich: WET verzeiht keine Fehler.
Ein bisschen komisch ist der Schwierigkeitsgrad schon. Während das Spiel sehr locker und einfach beginnt, steigert es sich zur Mitte hin massiv Richtung Unfairness. Einzelne Arenakämpfe sind scheinbar nicht dafür bestimmt bestanden zu werden, automatische Speicherpunkte sind vor solch harten Situationen besonders absurd gesetzt, lebensauffrischende Whiskey-Flaschen finden sich eigentlich immer nur dann, wenn Rubi gänzlich gesund ist. Quicktime-Events sind an sich nicht zu schwer, doch ist es rein realistisch betrachtet nicht möglich, eine Sequenz wie die Autobahn-Jagd in einem durchgängigen Versuch zu schaffen. Denn auf dem Autodach hockend ist man dem Beschuss der Gegner quasi ausgesetzt, immer in der Hoffnung den nächsten Speicherpunkt zu erreichen, nur um dort rundum erneuert wiederbelebt zu werden. Generell hat man zwischenzeitlich den Eindruck, mehr den Ladebildschirm zu sehen, als am Spielgeschehen teilhaben zu dürfen. Und so merkwürdig es ist: Vor dem unspektakulären Finale sinkt der Schwierigkeitsgrad wieder auf ein zu leichtes Niveau.
Technisch gesehen ist WET definitiv keine Offenbarung – ein paar nette Charaktermodelle, wie Rubi Malone selbst, ausgenommen. Verwaschene Texturen, mangelnde Details im Leveldesign, teilweise arg hölzerne Animationen sowie unsichtbare Wände und eine fragwürdige Kollisionsabfrage trüben den Eindruck nachhaltig. Hinzu kommt die schon erwähnte sehr ungenaue Steuerung, mit der man Rubi sicher das ein oder andere Mal in unbeabsichtigte Richtungen lenkt.
Die Jagd nach Stilpunkten durch das Hochtreiben des Kill-Multiplikators wird leider schnell langweilig, denn eine reelle Chance hat man nur dann, wenn man möglichst häufig die Zeitlupe einsetzt. Heißt: hechten, ducken, Wände entlanglaufen. Und das in einem fort.
Hervorzuheben an WET ist zweifellos der Grindhouse-Stil, den das Spiel an sich ziemlich gut rüberbringt. Nicht zuletzt die grandiose Rockabilly-Musik, die fantastischen (Original!-) Sprecher und der aufdringliche (ausschaltbare) Filmfilter, die klassischen amerikanischen Werbeunterbrechungen während der Ladezeiten und das gnadenlose Mundwerk von Rubi („Fuck you, door!“) tragen eindeutig zur guten Atmosphäre bei. Wenn auch im Gegensatz zu den Schießeisen zu stark, ist es doch immer eine Freude, das Katana auszupacken und mit ihm durch die Gegnerhorden zu säbeln.
Ein weiterer Punkt sei hier an dieser Stelle nicht ganz unerwähnt: In Deutschland ist WET nur stark gekürzt erhältlich – und das trotzdem mit einer Freigabe ab 18 Jahren. Leider trübt das den Spielspaß enorm, denn wirklich viel Mühe hat man sich bei der Arbeit mit der Schere nicht gemacht. Jegliches Blut wurde dem Spiel entnommen, Rauchfontänen markieren den erfolgreichen Treffer, Arme und Beine lassen sich nicht vom Gegner trennen und ganze Zeilen in den Dialogen wurden geschnitten. Letzteres ist besonders ärgerlich, denn in mehreren Zwischensequenzen schwatzt Rubi offensichtlich munter mit ihrem Opfer, doch weicht kein Ton über ihre Lippen – sehr unschön. Auch nicht sonderlich durchdacht: Im Rage-Modus wird der Kill-Count nicht hochgetrieben (trotzdem gibt es in den Ladebildschirmen Hinweise darauf), wodurch Punkte verloren gehen, die man nicht für Upgrades verwenden kann. Nachteil für die Deutschen.
Fazit:
Was habe ich mich nach der tollen Demo auf WET gefreut! Doch leider erfüllte sich meine Befürchtung, dass sich das Spielprinzip schnell abnutzt und mit der Zeit zu repetitiv erscheint. Slow-Motion, stilvolle Shootouts, tolle Musik hin oder her – wenn es sich zu oft wiederholt, wird es halt schnell langweilig. Und auch nach Ende des Spiels wird man lediglich dazu eingeladen, die Levels erneut zu spielen und im ersten Durchlauf übersehene Spielzeug-Affen zu sammeln oder die völlig überflüssigen Checkpoint-Rennen in der texanischen Wüste mit besseren Zeiten abzuschließen. Wenn auch mit Eliza Dushku (Buffy, Dollhouse, Wrong Turn) und Malcolm McDowell (Clockwork Orange, Halloween 2007) namhafte Synchronsprecher verpflichtet wurden, ist es doch sehr schade, dass ihnen in Deutschland der Mund verboten wird und in einem Actionspiel mit Rache- und Auftragskillerthematik nicht ein Tropfen Blut vergossen wird. Es schmerzt zu sehen, wie viel verschenktes Potential in WET steckt, wie viele filmbegeisterte Entwickler an dem Produkt gesessen haben mögen und mit welchem Hin und Her es um die Veröffentlichung bangen musste. Und obwohl ich enttäuscht bin, sehne ich mich jetzt nach einem hoffentlich bald erscheinenden Sequel, das alles besser machen wird. Tobias Czullay